Mietwertermittlung bei Werksmietwohnungen

Die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete bei Werksmietwohnungen besitzt für Mietwertsachverständige die etwas ambivalente Problematik, dass zwar ein Markt existiert, dieser aber stark von marktuntypischen Preisbildungsmechanismen, besonders durch eine Zweckbindung ausgelöst, bestimmt wird. Insofern stehen Sachverständige vor dem Problem der Teilmarktbetrachtung oder interpretierenden Einordnung eines Mietpreises in den gewöhnlichen Wohnungsmarkt.

Werksmietwohnungen

anke martens / pixelio.de

Übliche Vergleichswohnungen sind dem Mietsachverständigen nach Art, Beschaffenheit, Größe und Lage in der Regel in ausreichender Menge bekannt. Dagegen stellen Werksmietwohnungen eine eigene Wohnungsart i. S. d. § 558 Abs. 2 BGB dar, was mit subjektiven Einflüssen auf die Mietpreisbildung begründet werden muss. Insofern ist mit der Herleitung von marktuntypischen Preisbildungsmechanismen der normale Mietwohnungsmarkt nur bedingt zur Heranziehung geeigneter Vergleichswohnungen nutzbar.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei der Auswahl der Vergleichswohnungen ausschließlich zweckgebundene Vergleichsobjekte herangezogen werden müssen, da der nicht zweckgebundene Wohnungsmarkt Einfluss auf den zweckgebundenen Wohnungsmarkt bei der Preisbildung hat. Hier obliegt es der Sachkunde des jeweiligen Sachverständigen, entsprechende Vergleichsobjekte in einem ausgewogenen Verhältnis heranzuziehen.

Die Mietpreise setzen sich gem. § 558 BGB i. V. m. der einschlägigen Rechtssprechung aus Bestandsmieten und Neumieten zusammen, welche in den letzten vier Jahren vereinbart oder geändert wurden. Diese werden in einem ausgewogenen, marktkonformen Verhältnis berücksichtigt. Nicht übliche Vergleichsfälle werden als „Ausreißer“ aussortiert.

Betrachtet man den Teilmarkt der Werksmietwohnungen, ist festzustellen, dass subjektive Preisbildungsmechanismen den Markt für einen Teil eines Wohngebietes, abweichend vom üblichen Wohnungsmarkt, beeinflussen können. Das Vorliegen eines Teilmarktes wird damit begründet, dass regulierende Eingriffe und Subventionierungen in einen Markt in der Regel das Gegenteil von dem, was mit diesen Maßnahmen gewollt wurde, auslösen und somit Preisungleichheiten und marktstörende Faktoren gefördert werden.

Ein anschauliches Beispiel ist die vermehrte Errichtung von preiswerten Sozialwohnungen in den 1970er Jahren, was zu einer Wohnungsknappheit und überhöhten Mietpreisen in den 80-er Jahren in vielen westdeutschen Großstädten führte, da Investoren des freifinanzierten Wohnungsmarktes sich mangels auskömmlicher Margen vom Markt zurückzogen. Gleiches Paradoxon wird beobachtet bei der verbilligten Ausweisung von Baulandflächen durch Gemeinden. Die „Sogwirkung“ dieser attraktiven Preise „saugt“ dieses Angebot in kürzester Zeit vom Markt auf. Gleichzeitig ziehen sich professionelle Grundstücksentwickler vom Markt zurück, da Sie mit diesen „günstigen“ Grundstückspreisen nicht konkurrieren können. Da der einmal initiierte „Sog“ aber dennoch eine gewisse Zeit vorhanden bleibt, tritt recht schnell eine starke Verknappung mit überhöhten Grundstückspreisen ein. Mit dem allgemeinen so genannten Schweinezyklus kann dieses Phänomen nicht erklärt werden.

Blickt man mit Vorgesagtem auf den Teilmarkt der Werksmietwohnungen, ist festzuhalten, dass zwar meist keine Subventionierung des Wohnungsbaus vorliegt aber dennoch eine Regulierung durch die Wohnungseigentümer umgesetzt wird, da eine Monostruktur der Mieterschaft erzeugt wird, was die Marktmechanismen stört. Dies kann dadurch erklärt werden, dass die Werksangehörigen zu Ihrer eigenen Firma als Vermieterin (oder eine mit der eigenen Firma wirtschaftlich verbundenen Vermieterin), bei der sie selbst arbeiten, die Ihnen sozusagen das Auskommen sichert, ein erhöhtes Vertrauen besitzen als zu einem anderen am freien Markt agierenden Vermieter. Gleichzeitig wird durch diese Monostruktur ein Gefühl von Vertrautheit erzeugt, da man „unter sich“ ist. Andere Bevölkerungsgruppen, wie sozial schwächere Schichten oder nicht werksangehörige Ausländer werden durch die Zweckbindung weitgehend ausgeschlossen, was die subjektive Wahrnehmung von Vertrautheit und Annehmlichkeit eines Teilbereiches des Wohngebietes steigert. Hierbei sei ausdrücklich angemerkt, das Marktmechanismen erklärt werden. Märkte können u. U. bestimmte Gruppen diskriminieren. Dies ist zwar bedauerlich, muss aber im Zusammenhang mit der Wertermittlung als Sachverhalt hingenommen werden. Verschließen können sich sorgfältige und praxisorientierte Sachverständige dieser Problematik nicht.

Insgesamt führt o.g. dazu, dass mit Blick auf die soziale und wirtschaftliche Stellung von Werksangehörigen in Verbindung mit der entsprechenden Wohnungsknappheit in diesen mitunter engen Mietwohnungsteilmärkten und den anderen oben bereits erwähnten Marktmechanismen, Mieter bereit sind, tendenziell etwas höhere Mieten zu tolerieren, als „reguläre“ Mietwohnungsmärkte anbieten.

Für Gerichtsgutachter stellt sich also die Aufgabe, nachvollziehbar zu erläutern, wie der Teilmarkt „Werksmietwohnungen“ und der allgemeine Mietwohnungsmarkt aufeinander einwirken und diese Wechselwirkungen rechnerisch begründbar sind. Die Stärke der gegenseitigen Einwirkung hängt aber prinzipiell von der Bedeutung des Arbeitgebers und damit des Vermieters an einem Standort ab. Dies muss im Einzelfall differenziert betrachtet und von Sachverständigen mit deren regionalen Marktkenntnissen objektiv eingeschätzt werden.