Einfluss des Energieausweises (Energiepass) auf Immobilien – Verkehrswerte

Der Energiepass oder Energieausweis nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) ist gesetzlich beschlossen und wird zu Beginn des Jahres 2008 stufenweise eingeführt. Der Energiepass soll dem Vernehmen nach neben der weiteren ökologischen Sensibilisierung, die Transparenz des Marktgeschehens verbessern und damit zu besseren Marktwerten für Immobilien führen. Für den Immobiliensachverständigen stellt sich die Frage, ob die Existenz eines Energieausweises einen unmittelbaren Einfluss auf den Verkehrswert hat, und wenn ja, wie wird dies methodisch berücksichtigt.

Energiepass

Thorben Wengert / pixelio.de

Die Energieeinsparverordnung

stellt die Umsetzung der europäischen Richtlinie für Bestandsimmobilien in deutsches Recht dar. Durch diese Richtlinien soll der Wettbewerb auf dem Immobilienmarkt mit Hilfe der energetischen Klassifizierung von Gebäuden gestärkt werden. Damit ist der Wunsch eines gewissen Transparenzzuwachses verbunden. Die Bauwirtschaft soll von dem Anreiz, verstärkt energiesparende Investitionen zu tätigen, profitieren. Durch den erzeugten Druck auf den Immobilienmarkt soll der Bestand an energiesparenden Immobilien erhöht und damit der Klimaschutz vorangetrieben werden.

Um die Bedeutung für den Immobilienmarkt

und die Bewertung von Immobilien herauszuarbeiten sind nachfolgende Argumente zu überlegen:

  • Der Energiepass ist ein staatliches Steuerungsinstrument und trifft keine ganzheitliche Aussage über die Wirtschaftlichkeit eines Immobilienobjektes. Immobilienerwerber oder potentielle Wohnungsmieter interessieren sich in der Regel für die wirtschaftliche Gesamtsituation einer Immobilie, da davon letztlich die Bewirtschaftungskosten und damit die zu entrichtenden Betriebskosten abhängen.
  • Der Gesetzgeber hat, um den Energieausweis „bezahlbar“ zu machen, zwei pauschalisierte Verfahren eingeführt, das verbrauchsabhängige und das bedarfsabhängige Verfahren, wobei beide Verfahren durch die extreme Vereinfachung und Pauschalisierung wohl nur zu groben Anhaltspunkten führen können. Bereits die Ermittlung der Ergebnisse nach Aktenlage, also ohne Objektbesichtigung, veranschaulicht ein Ungenauigkeitsproblem.
  • Die Pflicht soll durch Selbstregulierung manifestiert werden. Dies bedeutet, dass ein Käufer die Vorlage eines Energieausweises verlangen kann, aber nicht muss. Das Verfahren wird also dem Zufallsprinzip überlassen, nach dem Motto: „wo kein Kläger, da kein Richter“. Der Bestandhalter einer Immobilie braucht vorerst keinen Energiepass zu beauftragen, wenn er die Immobilie nicht veräußert.
  • Die Aussagen von Energieausweisen haben keinerlei rechtliche Auswirkungen auf privatrechtliche Verträge, wie Kaufverträge oder Mietverträge in Bezug auf die Haftung für eventuell zugesicherte Eigenschaften.

Hat der Inhalt des Energieausweises bzw. die Erfüllung der Grundsätze der neuen EnEV nun einen Einfluss auf den Verkehrswert?

Die Aussagen von Energieausweisen haben grundsätzlich keine Auswirkungen auf den Verkehrswert. Dies kann wie folgt begründet werden:

Gebrauchtimmobilien unterliegen je nach Baujahr einer gewissen einheitlichen Alterswertminderung, die sich aus dem Substanzverbrauch und dem moralischen Verschleiß des Gebäudes ergibt. Insbesondere durch die zunehmende Beschleunigung von Innovationen und bauphysikalischen Erkenntnissen veränderten sich in den letzten Jahrzehnten Neubauten sehr stark en detail. Dies bedeutet, dass bspw. ein Gebäude, welches im Jahr 1965 errichtet wurde, auch in der Regel den energieseitigen Standards der 1960 – iger Jahre entsprechen muss, sofern keine nachhaltigen Veränderungen (Verbesserung) an energetisch relevanten Bauteilen vorgenommen wurden.

Diese Altersabschreibung wurde bisher sowohl vom Marktgeschehen als auch von Immobiliensachverständigen nachvollzogen. Der untypische Fall, dass eine Immobilie mit stark veralteten energetischen Standards errichtet wird, ist als seltene Ausnahme zu betrachten. Der umgekehrte Fall, dass Gebäude im Laufe der Zeit mit Energie einsparenden Bauteilen nachgerüstet (modernisiert) worden sind, bringt meist eine direkte Marktwertbeeinflussung mit sich. Dieser Umstand wird vom Immobiliengutachter ebenso bewertet.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Immobilien schon immer sowohl vom Immobilienmarkt als auch von Sachverständigen insbesondere nach Ihrem Alter und damit nach Ihrer theoretischen Restnutzungsdauer bewertet wurden.

Berücksichtigt werden dabei grundsätzlich über die normale Instandhaltung hinausgehende Substanzverbesserungen, welche die Restnutzungsdauer u. U. verlängern. Selbstverständlich wurden und werden künftig stärker Marktwerte von den jeweiligen Energieverbrauchsdaten abhängen. Diese Daten sind aber bereits mit dem Alter eines Gebäudes, lässt man Nachrüstungen und Modernisierungen mal außen vor, beschrieben. Es ist also höchst unwahrscheinlich, dass Gebäude existieren, die bspw. im Jahr 2007 errichtet wurden und über kein wärmegedämmtes Dach oder in nicht geheizten Räumen über ungedämmte Heizungsrohre verfügen. Für ein Haus der 1970 – iger Jahre wäre dies andererseits Standard. Die Heizungsanlage aus dem Jahr 1970 wäre nach allen Erkenntnissen abgeschrieben und müsste im Rahmen der üblichen Instandhaltung bald ausgetauscht werden, was die EnEV für Anlagen, die vor 1978 gebaut wurden, vorschreibt. Ohne die neue EnEV müsste also die Anlage ebenso ausgetauscht werden.

Miet- und Kaufinteressenten betrachten den Energieverbrauch als Bestandteil der Wohnkosten. Es wird also, setzt man weitere Energiepreiserhöhungen voraus, vermutlich zu einem noch stärkeren Preisverfall älterer Immobilien kommen, da diese einfach untragbare Energiemengen und damit finanzielle Ressourcen verschlingen. Hier werden Immobiliensachverständige über die Verkürzung von theoretischen Gesamtnutzungszeiträumen der Immobilien nachdenken müssen.

Der Energieausweis führt ggf. zur Verbesserung der Markttransparenz,

nicht jedoch zu anderen Marktwerten, da die Aussagen dieses Papiers bisher von den Marktteilnehmern auch ohne Energiepass weitgehend berücksichtigt wurden. Die verpflichtenden Maßnahmen der EnEV (siehe Beispiel „Heizung“) führen ggf. zu etwas vorgezogenen Investitionen von meist bereits verschlissenen oder abgeschriebenen Bauteilen, mehr jedoch nicht. Ob signifikante Investitionen durch die EnEV und den Energiepass stimuliert werden, bleibt abzuwarten.

Matthias Kirchner, Juni 2007