Verden bekommt ein Bürogebäude in Strohbauweise

Im niedersächsischen Verden entsteht derzeit ein fünfstöckiges Bürogebäude, das fast ausschließlich aus ökologischen Baustoffen wie Holz, Lehm, Kalk und Stroh gebaut wird. Die Strohbauweise ist in anderen Ländern längst auf dem Vormarsch, der Bauherr des künftigen Ausstellungs- und Bürogebäude des Norddeutschen Zentrums für Nachhaltiges Bauen möchte diesen Baustoff jetzt auch in Deutschland zu mehr Beliebtheit verhelfen. Viele seiner Argumente sprechen dafür. Vorbehalte wie die Angst vor Feuer und Mäusen kann er mit Fakten zerstreuen.

Das Strohgebäude

Unten fängt alles ganz normal an. Der Keller des ökologischen Bürogebäudes, das in Verden auf dem Gelände einer alten Kaserne entsteht, ist gemauert worden, den Abschluss bildet eine Betondecke. Darüber wird´s ungewöhnlich. Das 17 Meter hohe Gebäude besteht aus einer tragenden Holzkonstruktion, ganz wie ein traditionell gebautes Fachwerkhaus. Sein Gerüst ist aus Ständern und Riegeln aufgebaut, die aus dem Holz von Fichten, Douglasien und Kiefern gefertigt wurden. Beim Treppenhaus und dem Fahrstuhlschacht kommt massives Leimholz zum Einsatz. Und auch die Zwischendecken setzen sich aus einer Vielzahl von Holzbalken zusammen. Erst die Wände machen das Gebäude zum Strohhaus, sie sind aus 48 Zentimeter breitem, gepresstem Stroh gearbeitet. Das nachhaltige Innenleben des fertigen Gebäudes wird nach außen hin nicht sichtbar sein, wie der Bauherr Christian Silberhorn versichert. Denn die Strohwände werden von Gipsfaserplatten und Kalkputz abgedeckt. Im Innenbereich sind die Wände aus Lehmplatten und Ständern konstruiert und zusätzlich mit Lehm verputzt. Diese Bauweise soll für ein gesundes Raumklima sorgen. Auf dem Dach werden Solarzellen installiert. Die Finanzierung dieses Projekts wird zu einem großen Teil von der EU getragen. Aber auch das Land Niedersachsen, der Landkreis und die Stadt Verden beteiligen sich mit finanziellem Engagement am Strohgebäude.

Die Bedenken

Zum Thema Brandschutz werde von Strohgegnern häufig mit dem Satz ‚Stroh brennt‘ argumentiert, sagt Dittmar Hecken vom Fachverband Strohballenbau Deutschland. Auch die Angst vor Mäusen im Stroh gehe unter den Zweiflern um sich. Schließlich wird von vielen Interessenten die Haltbarkeit ökologisch gebauter Häuser mit Strohwänden in Frage gestellt. Aus diesen Gründen gibt es in Deutschland auch erst 250 Strohhäuser. Anders als in Ländern wie Kanada und den USA, wo diese Bauweise weit verbreitet ist. Auch in den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich erfreuen sich Strohhäuser bereits großer Beliebtheit. Die Schweiz hat mit dem ersten Hotel in Strohbauweise vorgelegt, das im Jahr 2012 im Kanton Wallis eröffnet wurde.

Die Gegenargumente

Die Bedenken der Strohgegner können Silberhorn und Hecken leicht zerstreuen. Durch die Abdeckung der Wände mit Gipsfaserplatten und Kalkputz wird das Verdener Bürogebäude laut Christian Silberhorn die höchsten Anforderungen an Brandschutz erfüllen, die man nur schaffen kann. Wenn jemand eine Stunde lang mit einem Brenner auf die Wand ziele, würde sich das Stroh noch nicht einmal verfärben, meint der Geschäftsführer des Norddeutschen Zentrums für Nachhaltiges Bauen. Dittmar Hecken bestätigt, dass die Sicherheit der Strohhäuser bei Feuer bereits nachgewiesen sei. Die Angst vor Mäusen, die sich im Stroh ansiedeln könnten, kann er ebenfalls entkräften. Denn der Baustoff stehe gar nicht auf deren Speiseplan, sagt Hecken. Lediglich bei Konstruktionsmängeln bestehe die Gefahr von Nagerbefall, genau wie bei konventionellen Häusern auch. Die Haltbarkeit von Strohgebäuden belegt Hecken mit einem aktuellen Beispiel aus den USA. Dort sollten kürzlich an einem 1910 in Strohbauweise erbauten Haus Anbauten vorgenommen werden. Dafür musste eine Wand entfernt werden, deren Innenleben aus Stroh noch völlig intakt war und keine Spur von Schimmel oder Zersetzung zeigte. Ein weiterer Vorteile der Strohbauweise sind die niedrigen Heizkosten. Das Verdener Bürogebäude wird auf 1.800 Quadratmetern Nutzfläche nur so viel Energie verbrauchen wie ein konventionelles Einfamilienhaus, das in den 1980er Jahren erbaut wurde. Mit diesen Gegenargumenten soll dem ökologischen Bauen mit Stroh in Deutschland Auftrieb gegeben werden. Dazu wird das Norddeutsche Zentrum für Nachhaltiges Bauen im Erdgeschoss und im Keller seines neuen Bürogebäudes eine insgesamt 500 Quadratmeter große Ausstellung einrichten. Mit den dort präsentierten Informationen sollen sowohl Handwerker als auch Bauherren und Planer für den Gedanken des ökologischen Bauens mit Stroh gewonnen werden. Aber auch mit Schülern und Studenten als Ausstellungsbesuchern sollen Weichen für die Zukunft gestellt werden.