Änderungen in der Bewertungspraxis im Beleihungswesen

Seit dem Inkrafttreten der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) am 1. August dieses Jahres (2006) müssen alle Pfandbriefbanken ihre Beleihungswerte nach einheitlichen Vorschriften ermitteln. Im Vergleich zu den bisher geltenden bankinternen Wertermittlungsanweisungen ergeben sich dabei einige Unterschiede.

Änderung der Bewertungspraxis im Beleihungswesen

Rainer Sturm / pixelio.de

Zum einen wurde die Kleindarlehensgrenze von 306.000 auf 400.000 Euro angehoben. Anstelle eines umfangreichen Gutachtens nach §5 BelWertV können die Banker eine vereinfachte Wertermittlung für im Inland gelegene und wohnwirtschaftlich genutzte Immobilien durchführen, wenn das Darlehen inklusive aller Vorlasten nicht mehr als 400.000 Euro beträgt. Ist der Bank das zu bewertende Objekt ausreichend bekannt, kann dabei auf eine Besichtigung verzichtet werden. Zum anderen werden die Bewirtschaftungskosten bei der Ertragswertberechnung nicht mehr pauschal angesetzt, sondern nach ihren Einzelkosten aufgeführt. Dafür stehen Bandbreiten sowie absolute Untergrenzen zur Verfügung. Neu ist dabei die separate Berücksichtigung eines Modernisierungsrisikos, das bisweilen in den Instandhaltungkosten eingerechnet wurde.

Erleichterung bei Übernahmen

Auch bei Portfolioübernahmen entstehen deutliche Erleichterungen für die Gutachter und Investoren. So ist bei Objekten, für die bereits eine Bewertung nach der BelWertV durchgeführt wurde, eine Plausibilisierung der Beleihungswerte ausreichend. Liegen alle Darlehen im Rahmen der Kleindarlehensgrenze, sind lediglich repräsentative Stichproben erforderlich. Präzisiert wurden die Bandbreiten für die Kapitalisierungszinssätze, die bei wohnwirtschaftlich genutzten Objekten zwischen 5% und 8% und bei gewerblich genutzten Objekten je nach Gebäudetyp zwischen 6% und 9% liegen. Analog zu den vorgegebenen Kapitalisierungszinssätzen gibt es nun auch vorgegebene Bandbreiten für die Festsetzung der Gesamtnutzungsdauer. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei Objekten mit einer Restnutzungsdauer unter 30 Jahren die Abbruchkosten zu ermitteln und vom Ertragswert abzuziehen sind. Alternativ kann auch der Bodenertragsanteil auf die Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen kapitalisiert werden, was bei niedrigen Bodenwerten die günstigere Variante ist. Zum ersten Mal gibt es für bereits bewertete Objekte eine Überprüfungspflicht, wenn deutliche Marktverschlechterungen eingetreten sind oder wenn die abgesicherte Forderungen einen Leistungsrückstand von mindestens 30 Tagen aufweist.

Mehr Transparenz für Investoren

Durch die Einführung der BelWertV entsteht zudem eine bisher unbekannte Transparenz auf dem Markt für Immobilienfinanzierungen. Vor dem Inkrafttreten der Verordnung bewerteten die Banken die zu finanzierenden Objekte nach internen Richtlinien, entsprechend den Vorgaben Hypothekenbankgesetzes (HBG).  Kein Investor konnte die Bewertung seines Objektes tatsächlich nachvollziehen, da die Banken unterschiedliche Bewertungsrichtlinien hatten. Außerdem waren die Vorgaben des HBG nur für die privaten Hypothekenbanken verbindlich. Die Landesbanken und Sparkassen ermittelten die Beleihungswerte nach Ihrem eigenen Gesetz über Pfandbriefe und verwandte Schuldverschreibungen (ÖPG). Die BelWertV besitzt durch die Verankerung im neuen Pfandbriefgesetz vom 19. Juli 2005 hingegen Allgemeingültigkeit für alle Pfandbriefbanken , auch Landesbanken und Sparkassen. Investoren profitieren  insofern von einer erhöhten Transparenz, da dass neue Regelwerk nicht nur von Bankgutachtern eingesehen werden kann. Dass trotz dieser Vereinheitlichung und der damit geschaffenen Transparenz in der Beleihungswertermittlung immer noch nicht alle Kreditinstitute nach derselben Anweisung ihre Beleihungswerte berechnen, liegt daran, dass nicht alle Banken ihre Hypothekendarlehen über die Emission von Pfandbriefen absichern. Viele Banken refinanzieren sich beispielsweise über Anleihen am Kapitalmarkt. Eine weitere Form der Refinanzierung ist die Securization, also die Verbriefung von Hypothekendarlehen. Auch diese unterliegen nicht den Bestimmungen der BelWertV. Fachverbände fordern daher die allgemeine Verbindlichkeit der BelWertV für alle Kreditinstitute egal welche Refinanzierungsmethode sie anwenden.

Kritische Stimmen

Aus dem Bankenumfeld und von einigen Sachverständigen gibt es trotz positiver Grundstimmung weitere kritische Anmerkungen. Die Rechtsverordnung ist ein gutes Produkt, aber kein perfektes. Einige Inhalte und Hintergründe sind nur von Insidern schnell nachvollziehbar“, bemerkt Karl-Ludwig Göth, Geschäftsführer von Aareal Valuation. Das Regelwerk müsse durch einen offiziellen Kommentar ergänzt werden, um die Anwendung zu erleichtern und Hilfestellung für die tägliche Bewertungspraxis zu geben. Auch Bernhard Bischoff, Vizepräsident des Sachverständigenverbands BVS und Bundesfachbereichsleiter Immobilienbewertung spricht sich für eine fachliche Novellierung der BelWertV aus, um Fehler, Unstimmigkeiten und Widersprüche beseitigen zu können. Zudem kritisiert Bischoff, dass bei der Formulierung des Verordnungstextes lediglich die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft beteiligt wurden und die Fachöffentlichkeit weitestgehend ausgeschlossen wurde. Die Auswirkungen der BelWertV auf die Bewertungspraxis untersuchte TÜV SÜD Immowert anhand von 200 Gewerbeobjekten in Deutschland. Das Ergebnis: Schlechte Objekte werden nach der neuen Anweisung noch härter bestraft als bisher.

Quelle: Immobilien Zeitung, 05.10.2006